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Buch Rezension: Liebe ist nicht genug – Ich bin die Mutter eines Amokläufers von Sue Klebold

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Ich habe lange überlegt, ob ich eine Buchrezension zu Liebe ist nicht genug verfassen möchte. Wie lässt sich eine Geschichte, die über die letzten Jahrzehnte schon so viel Unrecht über die Medien erfahren hat, gerecht aufarbeiten? Doch genau das ist auch der Knackpunkt, der mich dazu bewegt hat, meine Gedanken mit dir zu teilen. Bei dem Buch Liebe ist nicht genug handelt es sich um die Memoiren von Sue Klebold, der Mutter einer der beiden Columbine Attentäter. Diese Tatsache hat mich zu Beginn sorgen lassen, dass sie sich über 400 Seiten für die Taten ihres Sohnes rechtfertigen würde, um ihren Namen rein zu waschen. Doch erwartet hat mich etwas ganz anderes.

Deutscher Titel Liebe ist nicht genug – Ich bin die Mutter eines Amokläufers
Genre Memoiren/ Biografie
Autor Sue Klebold
Altersempfehlung ab 14 Jahren
Bindung Broschiert
Umfang 432 Seiten
Erschienen 22. September 2016
Verlag Fischer
ISBN 978-3596034314

Inhalt

„Am 20. April 1999 betraten Dylan Klebold und Eric Harris ausgerüstet mit Gewehren und Sprengstoff die Columbine Highschool. Dort töteten sie zwölf Schüler und einen Lehrer, verletzten vierundzwanzig weitere Menschen und nahmen sich dann selbst das Leben. Es war der schlimmste Schul-Amoklauf der Geschichte. Dylan Klebold war mein Sohn.“

16 Jahre nach dem Amoklauf ihres Sohnes Dylan erzählt Sue Klebold von ihrem Ringen mit der Frage, ob sie die Tat hätte verhindern können, wenn sie nur aufmerksamer, liebevoller gewesen wäre. Sue Klebold ist durch die Hölle gegangen, aber an der Tat ihres Sohnes nicht zerbrochen. Sie hat einen Weg gefunden weiterzuleben und hofft, anderen Eltern zu helfen, das zu verhindern, was sie selbst nicht aufhalten konnte. Von einem ist sie fest überzeugt: Elterliche Liebe allein reicht nicht aus, um Kinder und Jugendliche vor den Folgen unerkannter psychischer Erkrankungen zu schützen.

Der Amoklauf an der Columbine High School

Das so genannte Schulmassaker von Littleton ereignete sich am 20. April 1999 an der Columbine High School in Columbine, Denver, Colorado. Während des Amoklaufes erschossen die beiden Schüler Dylan Klebold und Eric Harris innerhalb einer knappen Stunde zwölf Schüler und einen Lehrer, sie verwundeten 24 Menschen und töteten sich im Anschluss selbst. Die Tat wurde von den beiden Schülern monatelang vorbereitet und war ursprünglich als Bombenanschlag geplant, bei dem sie im Anschluss alle fliehenden Schüler erschießen wollten. Dafür platzierten sie zwei Bomben mit Zeitzünder in der Schulcafeteria, die jedoch – aufgrund einer Fehlkonstruktion – nicht hoch gingen. Das rettete vermutlich Hunderten weiteren Schülern das Leben. Dadurch mussten sie ihren Plan jedoch spontan ändern und von Anfang an direkt auf ihre Mitschüler schießen.

Im Anschluss an den Gewaltakt gingen in den Medien, über Jahre hinweg, verschiedene Theorien umher, wonach Eric Harris und Dylan Klebold in der Schule gemobbt worden wären, von ihren Eltern nicht geliebt worden wärehn, aus ideologischen oder politischen Motiven heraus gehandelt hätten oder aus dem Wunsch nach Berühmtheit gehandelt hätten. Post mortem wurden bei beiden mehrere psychische Störungen diagnostiziert. Ein eindeutiges Motiv wurde bis heute nicht gefunden.

Der Amoklauf an der Columbine Highschool wurde auch deshalb zu einer traurigen Berühmtheit, weil die enorme Medienberichterstattung erstmals für ein weltweites Aufsehen sorgte. Anders als oft angenommen wurde, war diese Tat nicht die erste Schießerei an einer US-High-School. Der Columbine Amoklauf verursachte zahlreiche Diskussionen über Mobbing, Subkulturen, Psychopharmaka, die Verantwortung von Eltern und Lehrern, den Einfluss von Liedtexten und fiktionaler Gewalt auf Jugendliche sowie das vielfach als zu liberal kritisierte Waffenrecht der USA. Er ist zum Archetyp des School Shootings geworden. Stark im Fokus standen zu jener Zeit der Musiker Marilyn Manson oder das Videospiel Doom.

Nach dieser Tat wurde auch der Columbine-Effekt zum etablierten Begriff, da viele Amokläufer das Schulmassaker als Inspiration für ihre eigenen Verbrechen nannten. Die Meinungen über die Geschehnisse von Columbine sind heute, viele Jahre später, sehr zwiespaltig. Während die einen die Tat noch immer verachten und veruteilen, gibt es auch eine Subkultur im Internet, die die beiden Amokschützen verehrt und ihnen Liebesbriefe hinterlässt.

Die Frage, die noch immer offen bleibt, ist die nach dem Warum? Susan Klebold hingegen suchte nach dem Wie. Um die Taten zu verstehen, muss man den Täter verstehen. Das möchte Sue Klebold mit ihrem Buch Liebe ist nicht genug möglich machen.

Buchrezension von Liebe ist nicht genug

Erster Eindruck

Die Geschichte rund um Littleton hat mich – wie viele andere vermutlich auch – erst viele Jahre nach dem Amoklauf erreicht. Über eine Dokumentation bin ich über den Amoklauf aufmerksam geworden und blieb ebenso schockiert und mit so vielen Fragen zurück, wie es vermutlich einige der Zuseher damals vor den Berichterstattungen auch taten. Die menschliche Psyche hat mich schon immer interessiert. Eine Antwort zu finden wurde zu einem immer stärker werdenden Wunsch, weshalb ich mich am Ende dafür entschieden habe, mir die Geschichte einer der unmittelbar beteiligten Personen direkt anzuhören. Ich habe mir das Buch von Sue Klebold gekauft, um besser verstehen zu können, wie das Leben eines Attentäters aussieht. Wurde er misshandelt? Wurde Dylan Klebold nicht geliebt? Welche Grausamkeiten muss eine Person ertragen, um zu so etwas fähig zu sein?

Gefunden habe ich während des Lesens jedoch noch ganz andere Antworten. Antworten auf Fragen, die ich mir vorher nie gestellt hatte.

Recherche und Aufarbeitung

Die Memoiren von Sue Klebold in Liebe ist nicht genug lesen sich nicht wie ein Drama oder wie die Worte einer aufmerksamkeitsbedürftigen Hinterbliebenen, sondern viel mehr wie eine wissenschaftliche Abhandlung, begleitet von persönlichen Erfahrungen. In dem Buch werden viele andere Bücher zum Thema Suizid und Massenmord als Quellen verwendet, um Erklärungen für die eigenen Lebensumstände von Dylan zu suchen. Sue Klebold beginnt in ihrem Buch mit dem Tag nach dem Verbrechen und arbeitet sich danach vor, indem sie die Ereignisse von dem Moment an zu reflektieren versucht, als Dylan Klebold begann sich zu verändern.

Sie berichtet detailliert von den Familienumständen Zuhause, ihren Sorgen und Gedanken, die sie zu der Zeit vor und nach der Tat hatte und die Umstände, zu denen sie geliebt haben. Mehrfach entschuldigt sie sich bei allen Opfern und Hinterbliebenen. Ihre Erzählweise ist zielführend, sie ist an den richtigen Stellen detailverliebt und ergänzt ihre Kapitel stets durch eigene Tagebucheinträge aus den verschiedenen Epochen. Sue Klebold beschönigt an keiner Stelle das, was geschehen ist. Im Gegenteil: An einer Stelle des Buches kritisiert sie ihre eigenen Aussagen gegenüber ihrem Sohn, an anderer offenbart sie sogar den Inhalt der berühmten Basement Tapes von Eric Harris und Dylan Klebold, die bis heute unter Verschluss sind.

Sue berücksichtigt in ihren Memoiren sowohl ihre eigene Gefühle, zeitliche Abläufe, relevante Gespräche, Medieneinflüsse und die Arbeit der Polizei. Sie bleibt dabei oft erstaunlich sachlich und drückt immer wieder ihr eigenes Bedauern über die Ereignisse aus. Auch Eric Harris gibt sie nicht die Schuld an dem Fehlverhalten ihres Sohnes, obgleich sie sich oft wünscht, die beiden Jungen voneinander getrennt zu haben.

Die Schlüsse von Sue Klebold

Sue Klebold sieht sich heute nicht mehr als die Mutter eines Amokläufers. Sie sieht sich in erster Linie als Mutter, die ihr Kind bei einem erweiterten Suizid verloren hat. Sie macht sich noch heute viele Vorwürfe für die Dinge, die ihr Sohn vor vielen Jahren begangen hat. Sue hat in ihrem Buch viele Situationen oder Verhaltensweisen ihres Sohnes erwähnt, die einem im Nachhinein  (und das ist ein ganz wichtiger Punkt!) mit Sicherheit wie Alarmsignale erscheinen mögen. Doch zu der Zeit, als sich der Amoklauf in Columbine ereignete, gab es diese Thematik in der Form auf der Welt noch nicht und die Menschen waren noch nicht so sensibilisiert für diese Themen wie das heute der Fall ist. Sues Gedanken und Handlungen sind zu jeder Stelle im Buch nachvollziehbar.

Mein Fazit zu Liebe ist nicht genug von Sue Klebold

Obwohl es mir anfangs schwer gefallen ist mit dem Lesen des Buches zu starten, habe ich Liebe ist nicht genug am Ende innerhalb weniger Tage durch gelesen. Ich persönlich bin der Ansicht, dass man die Gründe für die Tat von Eric Harris und Dylan Klebold nicht auf einen einzigen Auslöser schieben kann. Es ist weder nur das Mobbing Schuld, noch nur die Eltern oder ihr Geltungsbedürfnis. Vielmehr offenbart einem das Buch, wie die Verhaltensweisen eines Menschen fehl gedeutet werden können und wie wichtig die Kommunikation zwischen verschiedenen Parteien sein kann.

Sue Klebold versucht nicht die eine ultimative Begründung zu finden, sondern ihre Empfinden zu schildern. Daran gibt es nichts falsches. Ich urteile nicht über Sue Klebold oder ihren Mann Tom, die einen Sohn verloren haben. Ich glaube ihr, dass sie ihren Sohn geliebt hat. Ebenso möchte ich schließlich auch nicht die Eltern von, der bei dem Amoklauf getöteten, Rachel Scott nicht veruteilen, die ihren Tod in einer Martyrium für religiöse Zwecke verwandeln. Trauer äußert sich immer anders. Ich bin davon überzeugt, dass mir das Buch nachhaltig einen anderen Blick auf den Umgang mit meinen Menschen möglich gemacht hat und dafür bin ich der Autorin dankbar.

Da Sue Klebold alle Einnahmen an Forschung und Hilfsorganisationen für Opfer und Angehörige psychisch Kranker spendet und das Buch nicht zur Selbstbereicherung benutzt, möchte ich dieses – definitiv sehr schwierige Buch – dennoch jedem ans Herz legen, der sich tiefer gehend mit den Hinterbliebenen von Gewalttätern auseinandersetzen möchte.

Bewertung nach der nonsensente-Bewertungsskala:

Positiv Negativ 8
Sehr gut!

Recherche – 10
Bilder – 7
Struktur – 8 
Storytelling – 9

  • Unzählige Quellen und Nebenanmerkungen über Suizidprävention
  • Klarer, gut lesbarer Satzbau und zielführender Schreibstil
  • Sinnvolle Gliederung und Schilderung von Ereignissen
  • Versprechungen in Einblicke der Familie werden gehalten
  • Sehr bildhafte Schilderungen der Geschehnisse
  • Objektiv und fair allen genannten Personen gegenüber
  • Eigene Urteilsbildung ist einem auch nach dem Lesen möglich
  • Einige Wiederholungen
  • Einige Fragen bleiben unbeantwortet
  • Fokus liegt viel auf Sue’s Gefühlen und Gedanken, weniger auf der Entwicklung ihres Sohnes
  • Gesamtbewertung nach Sternen
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Benutzer-Bewertung
4.33 (6 Stimmen)
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Kommentare:2

  • 23. August 2018

    Danke für diese tolle Rezension <3
    Du hast mich auf jeden Fall neugierig gemacht und deine Bewertungsgrafik finde ich schlüssig und ansehnlich.
    Durch meiner Arbeit mit Kids & Jugendlichen in einer Psychiatrie bin ich schon lange an der Psyche von Menschen, ihren Handlungen und die Intentionen dahinter interessiert.
    Ich werde mir das Buch auf jeden Fall speichern,

    Liebe Grüße,
    Nicci

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